Kürzlich stand ich mit einem medizinischen Masseur vor meiner «Denkwand» und sprach mit ihm über eine Ausstellung meiner Bilder in seiner Praxis.
Mein Gast erwähnte dann, dass er bei der Auswahl der Werke mitbestimmen müsse. Es gäbe eben Bilder, die nicht in Frage kämen – weil sie die Patienten beunruhigen oder erschrecken könnten.
Um zu präzisieren, welche Art Bilder er bei sich nicht haben möchte, deutete er auf solche, bei denen ein deutlicher Anteil von schwarzhaltigen dunklen Farben vorkommt.
Nun stört es mich keineswegs, wenn mir der Hausherr bei der Auswahl hilft – er wird die Bilder ja täglich sehen und sie sollen ihm wirklich gefallen. Und wenn ihm helle Farben gefallen – kein Problem.
Da aber in meinen abstrakten Bildern keine furcht- oder ekelerregenden Motive vorkommen, keine Höllenvisionen, Grausamkeiten oder Schlachten, gibt mir seine Begründung zu denken.
Farben allein sind weder positiv noch negativ besetzt. Es gibt da nur individuelle Vorlieben und Assoziationen. Klar kann man Rot mit Blut und Gewalt verbinden, aber auch mit feuriger Liebe und sommerlicher Blumenpracht.
Schwarz kann man mit Tod und Verderben assoziieren, aber auch mit der heimeligen Dunkelheit in einer einfachen (russgeschwärzten) Behausung. Und in anderen Kulturkreisen ist Weiss die Farbe für Trauer und Tod.
Ob also andere Menschen ein dunkleres Bild als angenehm oder als erschreckend empfinden, kann nicht vorhergesehen werden. Und darum ist mir unwohl beim Gedanken an diesbezügliche Vorbehalte oder gar vorauseilende Zensur.
Gerade religiöse und esoterisch orientierte Leute sind manchmal ganz einseitig auf helle Farben fixiert.
Das Licht ist das Gute und Reine, das Göttliche – das Gegenteil davon, das Böse, die Gottferne oder Gottlosigkeit und Sünde, das ist dann eben die Finsternis.
Das kann man durchaus auch anders sehen! So schreibt z.B. Rilke im «Stundenbuch vom mönchischen Leben»:
«Doch wie ich mich auch in mich selber neige:
mein Gott ist dunkel und wie ein Gewebe
von hundert Wurzeln, welche schweigsam trinken.»
Ich möchte Hell und Dunkel als Polarität verstehen, wie Yin und Yang, links und rechts, männlich und weiblich. Sie bedingen einander und bilden gemeinsam das Ganze, ohne dass das eine wertvoller wäre als das andere, ohne dass das eine moralisch positiv zu bewerten wäre und das andere negativ.
Ähnlich wie bei der Bekleidung: Manche Lichtsucher kleiden sich ja nur noch in Weiss. Obwohl das auch mir sehr gefällt – Wahlfreiheit und Abwechslung gefallen mir noch viel besser!
Lieber Rolf
AntwortenLöschenManchmal liegt die Antwort viel näher als gedacht. "Kunden" haben meist nicht den Mut direkt zu sagen, dass ihnen ein Bild oder eine Serie nicht gefällt. So suchen sie nach fadenscheinigen Ausreden ohne zu bemerken, dass sie damit unter Umständen noch mehr Unheil anrichten...
Aber es stimmt schon, eine Fixierung auf hellere Farben ist sicher oft anzutreffen.
Gioacchino
Hallo Gioacchino
AntwortenLöschenVielen Dank für deinen Beitrag.
Falsche Hemmungen … das könnte natürlich auch ein Grund sein.
Rolf